von Astrid Priebs-Tröger
Blattgold auf Treibsand
Collagen von Stephan Velten im Pomona-Tempel
„Das passt eigentlich nicht hierher“, meint eine Frau, die an diesem Sonntagnachmittag auf einer der Bänke vor dem weit geöffneten Eingang des anmutigen Schinkelbauwerks sitzt. Sonnenschein, Vogelgezwitscher, Familien beim Picknick und Musik vom Landesjugendakkordeonorchester Brandenburg vermitteln einen heiteren und entspannten Kulturgenuss auf dem Pfingstbergareal.
Und den scheinen die 19 Collagen des Potsdamer Malers Stephan Velten irgendwie zu stören.
Auf den ersten Blick fügen sich die DIN A4-großen Blätter, die aus Transparentpapier, diversen Ausschnitten aus Printmedien, hübschen Poesiesammelbildchen und unverständlichen Bauanleitungen für Sonnenuhren bestehen und direkt mit Heftklammern zusammengefügt wurden, noch ganz dekorativ in der vorherrschenden Atmosphäre ein.
Doch nähert man sich und versucht, die mehrfach übereinander gelagerten Papierschichten irgendwie zu einem Ganzen zusammenzubringen, wird dieser erste oberflächliche Eindruck nachhaltig zerstört.
Velten hat in dieser Collagenserie, die hier erstmalig gezeigt wird, Motive und Symbole direkt nebeneinander- und übereinander gesetzt, die scheinbar kaum etwas miteinander zu tun haben: Engelbildchen, Rosen und Vergissmeinnicht mit Goldstaub, daneben Frauenbeine in lasziven Posen und schwarzen Netzstrumpfhosen, immer wieder pornografische Darstellungen und brutale Kriegsszenen. Das nackte Grauen und die kitschige Verheißung des Himmelreichs. Dazwischen sind einzelne Worte und Sätze gestreut, die nur teilweise zu entziffern sind. „Amerika“, „Mann Macht Opfer“ und „Als erstes wächst auf den Schlachtfeldern Mohn“, ist zu lesen.
„Alles wird Material und neu bearbeitet“, steht da irgendwo handschriftlich. Das scheint der rote Faden, der (manchen) verstörenden Exposition, die in der neuen Reihe SCHRIFTBILD entstand, zu sein. Gedanken-, Assoziations- und Erinnerungsfetzen aus unterschiedlichen (Lebens)- Zeiten des 1954 in Potsdam geborenen Künstlers blitzen genauso auf wie verschiedene kulturelle Schichten und Prägungen. Historisches und Gegenwärtiges vermischt sich, geht manchmal unerträgliche Allianzen ein, ist aber letztlich durch den milchigen Schleier des Transparentpapiers immer wieder nur verschwommen auszumachen. In jedes einzelne Bild ist mittig außerdem der Umriss einer Hand geschnitten. Das- vielleicht der Versuch- etwas festzuhalten oder buchstäblich zu begreifen, mutet einerseits ziemlich trotzig und gleichzeitig geradezu hilflos an.
„Blattgold auf Treibsand“, so der Titel der sehenswerten Folge , zu der noch zwei keramische Skulpturen, Soldatenhelme aus der mehrteiligen Installation „Glockenläuten“ gehören, zeigt einmal mehr, wie sehr unter einer anscheinend makellosen Oberfläche immer noch und wieder alles in Bewegung ist. Und: Wie alles mit allem zusammenhängt, selbst an einem so scheinbar idyllischen Ort wie auf dem Pfingstberg, dessen unaufhaltsamer Verfall in Folge von Krieg und Teilung erst vor ein paar Jahren gestoppt werden konnte.